Förderstipendien für junge Kunst
Auch in diesem Jahr fördert die Stadt Köln wieder junge Künstlerinnen und Künstler und vergibt fünf Förderstipendien, die mit je 10.000 Euro dotiert sind. Zur Teilnahme am Auswahlverfahren waren Künstlerinnen und Künstler berechtigt, die in Nordrhein-Westfalen wohnen oder arbeiten und im Verleihungsjahr nicht älter als 35 Jahre (beim Horst und Gretl Will-Stipendium nicht älter als 30 Jahre) sind.

Die Förderstipendien erhalten:
in der Sparte Medienkunst (Chargesheimer-Stipendium)
Miriam Gossing und Lina Sieckmann
in der Sparte Bildende Kunst (Friedrich-Vordemberge-Stipendium)
Lisa Seebach
in der Sparte Literatur (Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium)
Bastian Schneider
in der Sparte Musik (Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium)
Francisco C. Goldschmidt
in der Sparte Jazz/Improvisierte Musik (Horst und Gretl Will-Stipendium)
Lucas Leidinger
Jurybegründung
Miriam Gossing + Lina Sieckmann (Auszug)
Damian Zimmermann
Für mich als Vertreter der Internationalen Photoszene Köln ist es eine ganz besondere Freude, dass das diesjährige Chargesheimer-Stipendium an das Künstlerinnenduo Miriam Gossing und Lina Sieckmann geht. Die beiden Absolventen der Kunsthochschule für Medien Köln sind zwar keine klassischen Fotografinnen – obwohl sie für ihr außergewöhnliches Buch „This has been going on for years” auch sehr viel fotografiert haben – sondern Filmemacherinnen. Aber ihre Filme, gedreht auf 16 Millimeter, wirken dennoch äußerst fotografisch. Man kann ihre Filme an jeder beliebigen Stelle anhalten und erhält ein hervorragend und äußerst präzise gestaltetes Standbild. Doch auch, wenn ihre Filme laufen, gleichen sie Fotografien – weil so wenig in ihnen passiert. Langweilig sind sie deshalb aber nicht. Im Gegenteil. Der Betrachter erwartet fast den Zusammenbruch der vermeintlichen Idyllen. In ihrem elfminütigen Film „Desert Miracles“ sind es die Innenräume von kitschigen und durchkommerzialisierten Hochzeitskapellen in Nevada, im 20-minütigen „Ocean Drive Hill“ Wohnhäuser in einer amerikanischen Vorortsiedlung, in die die Schatten der Flügel von Windrädern unaufhörlich für winzige Augenblicke einfallen. Es sind Orte der Harmonie und der Sehnsucht, der Zuflucht und der Hoffnung. Orte, an denen solche Irritationen gleich doppelt und dreifach so bedrohlich wirken und gleichzeitig nur die Metaphern für den eigentlichen, unausgesprochenen Horror sind.
Im Zusammenspiel mit den hervorragend geschriebenen beziehungsweise kuratierten Texten (Gossing und Sieckmann verwenden für Desert Miracles Einträge aus Hochzeitsforen und für Ocean Hill Drive haben sie Anwohner interviewt) und den großartigen Sprecherinnen (deren Stimmen aus dem Off diese Texte monoton und irgendwo zwischen leidend und vollkommen abgeklärt vortragen), haben die beiden Absolventinnen der Kunsthochschule für Medien Arbeiten geschaffen, die an Alfred Hitchcock und David Lynch erinnern und die sich sich an der Grenze zwischen Dokumentation, Fiktion und Suggestion bewegen.
Es ist ein Warten darauf, dass endlich etwas passiert. Und die gleichzeitige Hoffnung, dass es nicht allzu schlimm werden wird.
Jury-Begründung
Lisa Seebach (Auszug)
Heike Kropff
Lisa Seebach gelingt es, Zeichnung und Bildhauerei zu einer fragilen und zugleich sehr ausdrucksstarken Einheit zu verbinden.
Feine, wackelige Handzeichnungen – meist mit schwarzer Tinte ausgeführt – sind Ausgangspunkte ihrer skulpturalen Arbeiten. Die Zeichnungen entstehen als „narrative Beobachtungen der Umgebung, abstrakter Gegebenheiten und persönlicher Empfindungen“ (Seebacher 2016). Sie verweisen auf architektonische Elemente sowie Formen und Strukturen industrieller Geschichte, die als Versatzstücke isoliert und in neuen Zusammenhängen kombiniert werden.
Lisa Seebach überschreitet in ihren Arbeiten mehrfach die Grenze zwischen Zwei- und Dreidimensionalität. Zeichnet sie zunächst den dreidimensionalen Raum in auf die Umrisslinien beschränkte Zeichnungen, so transformiert diese Zeichnungen in einem nächsten Schritt in außergewöhnliche Skulpturen und Raumensembles. „Dunkle, fragile Stahlkonstruktionen stehen zittrig im Raum, wie hauchzarte Zeichnungen auf einem Blatt Papier…“ (Sandra Lampe, 2014). Als Materialien nutzt Seebacher hierbei in erster Linie Stahl und Keramik. Stahl dient der Übersetzung der gezeichneten Linien in gitterförmige Strukturen. Keramik wird dort eingesetzt, wo Volumina erforderlich sind. Lisa Seebacher setzt die Skulpturen alleine oder in Gruppen in den Raum ein.
Die Wirkung, die die Werke im Raum entfalten, lässt sich als „fortlaufende Verschiebung“ beschreiben, die jeglichen Bezugsrahmen in eine Schräglage versetzt: Architektonisch irgendwie bekanntes wird neu und unerwartet kontextualisiert. Materialien werden einer Transformation unterzogen: Stahl erhält eine zarte Präsens, ist als Linie im Raum gleichermaßen präsent wie zurückhaltend. Keramische Formen bieten als Volumen Halt, leiten jedoch in ihrer formalen Gestaltung ebenso Prozesse der Verwandlung ein. Der Raum wirkt je nach Fokussierung flach wie der der weiße Hintergrund einer Zeichnung oder bietet einen multiperspektivischen Blick auf Zeichnung. Die oftmals sehr konkreten Titel der Werke, z.B. „Fluchttunnel“, „Insel“ oder „Nachdenken über Statik“ lassen einerseits Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Künstlerin und mögliche Bezugspunkte zu, andererseits fordern sie den Rezipienten zum Abgleich von Erwartung und Wahrnehmung auf.
Die durch Lisa Seebach vorgestellte Dingwelt hat etwas sehr fragiles, befindet sie sich auf der Schnittstelle von Balance-Halten und möglichem Scheitern. Und gleichzeitig stehen sie fest und mit ungeheurem Selbstbewusstsein im Raum als wäre der Raum ohne sie nicht denkbar.
Das Friedrich-Vordemberge-Stipendium und das Chargesheimer-Stipendium sind jeweils mit einer Ausstellung in der artothek - Raum für junge Kunst verbunden.
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